Gefühle – ein Thema unter vielen?
„Über Gefühle zu sprechen ist ja nicht so mein Ding!“, bekomme ich als Paartherapeut gelegentlich zu hören: „Aber ansonsten verstehen wir uns super!“ „Genau“, möchte ich dann antworten, „und wenn man von den Zahlen absieht, bin ich mit meinem Kontostand auch ganz zufrieden.“ Spaß beiseite: Es hat seine Gründe, warum sich die meisten von uns damit schwer tun (mehr darüber erfährst du hier).
Natürlich, und das ahnen die meisten meiner Klient*innen auch schon, ist das Thema Gefühle nicht einfach ein Thema unter allen anderen. Oder eben doch. Aber dann in dem Sinne, dass es unter allen anderen Themen und vor allem unter allen Konfliktthemen mitschwingt.
Ich frage meine Klient*innen übrigens nur selten, was sie fühlen. Denn die meisten fangen auf diese Frage hin an, angestrengt darüber nachzudenken, was sie wohl fühlen. Mit der Frage „Was geht dir durch den Kopf?“ kommen wir paradoxerweise schneller an die Gefühle heran.
Von wegen „Cogito ergo sum“!
In gelehrten Texten des 17. Jahrhunderts wird der menschliche Geist häufig mit einem Uhrwerk verglichen. Uns modernen Menschen mag das heute primitiv erscheinen. Zurecht. Wir gebrauchen lieber den Computer als Metapher für den menschlichen Geist – eine Analogie, die es auch nicht besser trifft als die biblische Vorstellung, Gott habe den Menschen aus einem Lehmklumpen geschaffen
Denn die Verschaltungen unserer Nervenzellen sind um ein vielfaches komplexer als die eines Hochleistungsrechners und sie unterliegen einem ständigen, selbstgesteuerten Umbau. Die Signalverarbeitung in unserem Hirnschmalz funktioniert auch nicht-binär wie bei einem Computer, sondern in einem hochkomplexen Wechselspiel von elektrischer und chemischer Weiterleitung.
Der entscheidende Unterschied aber besteht in der Tatsache, dass unser Denken nicht isoliert von unserem Fühlen zu betrachten ist. Unser „Denkapparat“ ist zeitgleich ein „Fühlapparat“. In einem fein austarierten Zusammenspiel trägt unser Gehirn zur Integrität des menschlichen Körpers als Gesamtsystem bei. Zwischen unseren Ohren werden nicht nur die auf der „Festplatte“ abgespeicherten Informationen verarbeitet, sondern auch das Koffein aus der vierten Tasse Kaffee und die Nachricht aus dem Nacken, dass wir eine Massage vertragen könnten.
Es gibt kein Denken ohne Fühlen. Das Fühlen eilt dem Denken sogar deutlich voraus. Unser Körper meldet dem Kopf, wie es uns geht. Und der denkt sich dann eine passende Geschichte dazu aus.
Ergo: Von wegen „Ich denke also bin ich“! Gerade in Partnerschaft und Familie hält uns unser Denken oft sogar vom Sein ab; vom Im-Moment-Sein, vom Im-Kontakt-Sein mit sich selbst, mit der eigenen Gefühlswelt, mit dem Gegenüber. Wir sind eben keine Denkapparate mit angehängtem Körper, wir sind Menschen aus Fleisch und Blut. Fühlende Wesen. Was wir tun oder lassen, tun oder lassen wir, um angenehme Gefühle zu erfahren oder unangenehme Gefühle zu vermeiden. Insofern haben wir mehr mit der Möwe oder dem Grottenolm gemeinsam als mit dem leistungsfähigsten Supercomputer.
Warum es sich lohnt, über Gefühle zu sprechen:
Also: Nur Mut, fass in Worte, was dich bewegt! Du brauchst dafür keine Ausbildung in Gewaltfreier Kommunikation, kein Germanistikstudium und keinen Doktortitel in Psychologie.
Ich wünsche dir jedenfalls alles Gute. Und wenn ihr als Paar Unterstützung darin möchtet, euch über eure Gefühle auszutauschen, dann könnt ihr hier mehr erfahren.
Beste Grüße!